Auftrittsbericht: d’accord wien singt Bachs h-Moll-Messe
Ein gemeinsames Großprojekt mit dem Bachchor Wien und den Wiener Bachsolisten unter der Leitung von Ernst Wedam
Am 13.11.2022 durften wir von d’accord wien gemeinsam mit dem Bachchor Wien und dem Orchester Wiener Bachsolisten unter der Leitung von Ernst Wedam die gewaltige „Hohe Messe in h-Moll“ (BWV 232) von Johann Sebastian Bach im Wiener Konzerthaus zur Aufführung bringen.
Doch der Weg bis zu diesem großen Konzert war keineswegs einfach. Die ersten Proben begannen bereits im Herbst 2021. Ich erinnere mich noch gut an den Moment, als die dicken Partituren der h-Moll-Messe ausgeteilt wurden und wir erste Blicke hineinwarfen. Nach einer kurzen Einführung unserer Chorleiterin Katja Kalmar wagten wir uns mutig und selbstbewusst (wenn auch mit ersten Unsicherheiten) an die ersten vier Takte des einleitenden „Kyrie eleison“. So weit, so gut – damit war immerhin schon die erste von rund 240 Seiten geschafft!

Schnell wurde uns jedoch klar: Dieses Projekt wird kein Zuckerschlecken. Anders als bei Komponisten wie Haydn kann man sich bei Bach nicht auf die gewohnten harmonischen Verläufe verlassen. Bach denkt musikalisch oft unkonventionell, sodass man sich erst langsam an seine Klangsprache gewöhnen muss. Für mich war es anfangs eine große Umstellung, bis ich mich in diesen neuen Stil eingehört hatte.
Trotz aller Herausforderungen war dieses Werk für mich ein besonders imposantes Erlebnis. Es war das erste Mal, dass ich die h-Moll-Messe nicht nur hören, sondern selbst singen durfte – und das gleich in einem so großen Rahmen. Die immer wiederkehrenden Hauptthemen, die vielen Läufe und Fugen machten die intensive Auseinandersetzung mit diesem Werk zu einer sehr bereichernden und eindrucksvollen Erfahrung.
Parallel dazu lief auch unser Projekt „d’accord e(s)t la femme – Chormusik von Komponistinnen“, das wir bereits im Sommer 2022 zur Aufführung brachten. Dadurch fiel unsere Sommerpause deutlich kürzer aus als gewohnt. Vieles in der h-Moll-Messe war zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich auftrittsreif bzw. noch nicht mal angesungen, aber wir hatten ja noch die ganzen Ferien! 😉 Dementsprechend wurden vom ganzen Chor zahlreiche Sommertage geopfert, um an Bachs Meisterwerk zu feilen.
Ein besonderer Dank gilt hier unserer Chorleiterin Katja Kalmar, die uns mit viel Engagement, Geduld und Energie an dieses große Werk herangeführt hat. Sie hat uns mit klaren musikalischen Vorstellungen durch die anspruchsvollen Passagen geführt und war stets gut gelaunt, motivierend und mit großer Begeisterung bei der Sache.
Die Zusammenarbeit mit dem Bachchor Wien und den professionellen Musiker:innen der Wiener Bachsolisten (die sogar auf historischen Instrumenten spielten) war für uns eine großartige Gelegenheit, über uns hinauszuwachsen. Mit über 100 Sänger:innen auf der Bühne und einem beeindruckenden Orchester entstand im Wiener Konzerthaus ein Klangkörper, der die Größe und Tiefe dieses Werkes eindrucksvoll zur Geltung brachte.

Ernst Wedam verstand es, Chor und Orchester mit viel musikalischem Feingefühl und klaren Anweisungen durch die komplexe Partitur zu leiten. Sein gestalterischer Zugang half uns, die vielen Facetten der Messe zu erschließen und miteinander zu verbinden.
Ich glaube, diese Aufführung war für uns alle nicht nur ein musikalischer Höhepunkt des Chorjahres, sondern auch ein Aufbruch in höhere Sphären der Chormusik. Die h-Moll-Messe einmal selbst aufgeführt zu haben und vor allem es tatsächlich „geschafft“ zu haben, war eine Erfahrung, die unter die Haut ging und uns sicher noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Text: Benedikt Kiesling